Ich hätte nie gedacht, dass ich mich irgendwann in meinem Leben mal in dieser Situation wiederfinden würde. Aber jetzt saß ich hier auf dem Bahnhofsklo und wartete darauf, ob auf diesem blöden Test ein zweiter Strich auftauchte. Eine Putzfrau – ich war überrascht tatsächlich eine Putzfrau dort zu sehen, wo Bahnhofstoiletten doch eher, naja, sau dreckig waren – hörte mich wohl fluchen und fragte, ob alles in Ordnung sei. Ich raunte ihr ein Ja zu und sie murmelte irgendetwas Unverständliches vor sich hin. Aber das war mir eigentlich auch egal.

Dass ich überhaupt diesen Test machen musste war unglaublich. Da ließ ich mich ein einziges Mal darauf ein. Ich bin ausnahmsweise mal allein feiern gegangen, weil die Mädels keine Zeit hatten und ich wirklich mal wieder so einen lockeren Abend gebrauchen konnte. Nach dem ganzen Stress auf der Arbeit wollte ich einfach mal den Kopf frei bekommen.
Ich bin also in diesen Club rein, wo ich noch nie zuvor gewesen war. Mal was Neues ausprobieren, man kennt das ja.

Ich hab ein bisschen was getrunken, viel getanzt, viele Typen abgelehnt. Aber dann war da dieser Eine. Er war attraktiv und nicht aufdringlich. Er bot mir ein Getränk an und wir unterhielten uns ein wenig. Er war so sympathisch. Wir gingen auf die Tanzfläche und auch hier stimmte irgendwie die Chemie. Die Zeit verging schnell, wir wurden quasi rausgeworfen, weil der Club endlich schließen wollte. Er bot an zu sich zu gehen, falls ich das wollte. Ansonsten würde er mir auch das Taxi nach Hause zahlen.

Ich ging mit ihm mit. Eins führte zum anderen, wir waren beide gut blau und fielen übereinander her.

Als ich am nächsten Morgen aufwachte war er weg. Nur ein Zettel auf dem Nachttisch. "Fühl dich wie Zuhause."
Ich sah mich panisch um. Hatten wir verhütet? Ich fand kein Kondom. Nirgends.
Als ich mich umsah, fand ich Familienfotos. Er war anscheinend verheiratet und hatte Kinder. Scheiße.
Ich hatte kurz Hoffnung, dass sie vielleicht geschieden waren, aber da war ihr Shampoo in der Dusche. Da war ihre Kleidung im Schrank. Sie lebte hier.

Und er hatte mich einfach hier gelassen? Seine Affäre? Und nicht mal verhütet. Ich musste erstmal eine Runde heulen. Dann sammelte ich mein Zeug und fuhr mit der Bahn heim.

Und nun war ich gerade auf dem Weg zu ihm. Nach einem Monat um ihn zusammen zu stauchen. In der Bahn war mir plötzlich bewusst geworden, dass meine Tage ausgeblieben waren. Naja und jetzt saß ich hier und wartete. Scheiße.


© Menschenblind


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Kommentare zu "Bahnhofsklo"

Re: Bahnhofsklo

Autor: l.Maja   Datum: 18.03.2023 19:45 Uhr

Kommentar: Das Stinkt - das kann ich aus eigener Erfahrung sagen, und das Bahnhofsklo-------------------Puuuh
Besonders!
Wünsche Dir nasentechnisch und weitertechnisch nur Gutes!
Das wird, wirst sehen...

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