Bevor ich Ärztin wurde habe ich mich immer sehr schnell geekelt. Vor so ziemlich allen Verletzungen, vor Flüssigkeiten die aus fremden Menschen kamen (egal wie harmlos) und vor Blut so ganz allgemein. Auch mein eigenes Blut konnte ich nie wirklich gut sehen. Jeder der mich etwas länger kannte wusste das und achtete nach Möglichkeit darauf mich nicht damit zu konfrontieren. Umso weiter klappte allen der Mund auf, als ich stolz verkündete, dass ich Ärztin werden wollte.

Ich wusste ehrlich gesagt selbst nicht genau, weshalb meine Wahl ausgerechnet darauf fiel. Vielleicht die Aussicht auf ein gutes Gehalt und einen Job, bei dem man anderen Menschen hilft. Besonders letzteres hatte man mir damals immer eingeprägt. Ein Job, bei dem man anderen Menschen helfen kann ist immer die beste Wahl, sagte mir mein Vater. Er selbst war Altenpfleger, meine Mutter arbeitete bei der Stadt im Bereich soziale Dienste und organisierte regelmäßig kostenlose Hilfsangebote für Bedürftige.
Also kam mir Ärztin wohl wie eine sehr passende Ergänzung vor.

Das Studium lief gut, ich musste zwar die ersten zwei Male bei denen wir an toten Körpern üben sollten zwar kotzen, aber danach lief es eigentlich wirklich super. Ich war seit Jahren Assistenzärztin auf der Onkologie. Das sollte mein Fachgebiet werden. Krebs behandeln, das klang wie etwas Weltbewegendes. Zumindest bewegte es Welten für die Patienten.

Ich hatte mit harten Schicksalen gerechnet. Schicksale bei denen dir kurz das Herz stehen bleibt, weil du das Leid kaum aushältst. Aber am schlimmsten war wirklich die Kinderonkologie. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass es mir so schwer fallen würde die Patienten dort zu behandeln. Das herzzerreißendste waren die Babies. Ich konnte sie kaum ansehen. Zu wissen, dass diese kleinen Wesen nicht lange leben würden, war einfach zu viel.

Aber deswegen wollte ich weiter Ärztin sein. Um diese Schicksale zu verhindern.


© Menschenblind


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