Großstädten kann ich wirklich nichts abgewinnen. Ich bin damals wegen der Arbeit in eine Großstadt gezogen. Bezahlbar war nur eine kleine, versiffte Bude in einem eher semi-schönen Viertel. Alles was mehr als zwei Fenster hat oder gar einen Stellplatz fürs Auto kostet mehr als man als normaler Bürger überhaupt verdienen kann. Ich musste mein Auto also regelmäßig so weit weg von meiner Wohnung parken, dass der Weg zur Arbeit mit der Bahn schneller war, als der Weg zu meinem Auto. Zumindest dann, wenn ich nicht noch zahlen wollte. Kein Ticket zu ziehen und eine Strafe zahlen zu müssen war teilweise günstiger. Und schneller. Die kostenlosen Parkplätze waren regelmäßig belegt und ich durfte jeden Tag 30 Minuten rumfahren und hoffen, dass zufällig irgendwo jemand ausparkte. Scheiße war das.

Außerdem fühlte ich mich nirgends jemals so einsam wie zwischen all diesen fremden Menschen. Man wohnt in diesen Häusern mit teilweise 30 anderen und kennt niemanden. Ich kannte nicht einmal die Nachbarn auf derselben Etage. Ganz selten sah ich mal jemanden im Treppenhaus. Die Namen kannte ich nur von den Klingelschildern. Erst wollte ich mich mit Kuchen vorstellen, für das Gemeinschaftsgefühl, aber die ersten drei machten gar nicht erst auf und beim vierten rief ein kleines Kind von innen ob ich seine Mama wäre, sonst würde es nicht aufmachen. Da bin ich zurück in meine Wohnung und habs aufgegeben. Über die Arbeit lernte ich dann meine 2 engsten Freunde kennen, aber die wohnten in Vororten am Arsch der Welt.
So fuhr ich nach der Arbeit meist direkt heim und versank in Filmen oder Serien vor dem Fernseher.

Das ging einige Jahre so, bis ich mich entschloss wieder aufs Land zu ziehen. Nun wohnte ich in einer großen, lichtdurchfluteten Wohnung, aber einsam war ich dennoch. Die Gemeinschaft ist ziemlich geschlossen hier. Als Außenstehender da Anschluss zu finden war schon eine Kunst für sich. Aber immerhin hatte ich einen Parkplatz vor der Haustür.


© Menschenblind


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