Einst lebte ein junges Mädchen namens Katharina auf einer großen Burg. Sie arbeitete als Küchenmädchen für eine Grafschaft und war gerade mal 15 Jahre alt.

Ihre Schwester war damals die engste Vertraute der Gräfin gewesen, doch sie erlag einer schweren Krankheit und verstarb. Seitdem ist Katharina in ihren Diensten und es ging ihr immer sehr gut. Die Arbeit war hart, aber sie hatte stehts ein Dach über dem Kopf und warmes Essen auf dem Teller. Sie war eine der Jüngsten in der Dienerschaft, aber war stets freundlich und kam mit jedem gut aus. 

Eines Tages verreiste die Gräfin für einige Tage und es gingen Gerüchte in der Dienerschaft umher. Angeblich sollte der Graf seiner Frau nicht sehr treu sein und auf junge Mädchen stehen. Natürlich glaubte Katharina davon nichts, schließlich hielt sie sehr große Stücke auf ihre Arbeitgeber.

Doch diese Nacht bekam sie Besuch von dem Grafen und er nahm sich, was er wollte. Katharina war noch Jungfrau, sie wollte sich für ihre Heirat aufsparen, doch genau das zog den Grafen an. Er war brutal und wild, Katharina konnte sich nicht wehren. Als alles vorbei war, sank sie schluchzend zusammen und versuchte nachzudenken. Hätte sie doch nur auf die Anderen gehört , was sollte sie nun tun? Sollte sie es geheim halten? Sollte sie es ihrer Gräfin erzählen?

Die Tage vergingen und Katharina fürchtete sich davor, dass erneut die Türe aufging und ihr Herr da stand, doch dies passierte nicht noch einmal. Als die Gräfin zurückkehrte, wollte sie es ihrer Herrin erzählen, doch was würde wohl dann passieren? Sie würde wohl ihrem Mann mehr Glauben schenken, als einer einfachen Küchenmagd. Sie würde sie hinaus werfen lassen oder gar mit dem Tod bestrafen, da sie sich des Rufmordes schuldig gemacht hatte. Schließlich entschied sie sich, es geheim zu halten.

Die Zeit verging und mit der Zeit wuchs etwas in Katharinas Bauch heran, was sie schon bald nicht mehr verheimlichen konnte. Aus Angst hatte sie sich einer Freundin anvertraut gehabt, die ebenfalls als Bedienstete für ihre Gräfin arbeitete. Sie hatte Katharina von einem Eingriff erzählt, den man Abtreibung nannte. Es sollte ihre Probleme lösen, doch dieser Eingriff war riskant. Es gab viele junge Frauen, die daran verstorben waren. Aber was blieb ihr sonst übrig? Es würde nicht lange dauern, bis ihr Zustand für Jedermann sichtbar wäre. Doch nach langem hin und her entschied sie, das Kind bekommen zu wollen. Sie hatte ihrer Gräfin erzählt, dass es ihrer Mutter nicht gut ginge und sie sofort zu ihr müsse. Diese war einverstanden und Katharina wurde von ihrer Arbeit freigestellt. Sie reiste wirklich zu ihrer Mutter in die Stadt und erzählte ihr alles. Doch zu Katharinas Erleichterung lächelte ihre Mutter nur und sagte "Das bekommen wir hin".

Überglücklich verbrachte sie verborgen im Haus ihrer Mutter die Zeit. Heimlich wurde ihr Kind zur Welt gebracht und Katharina quoll über vor Glück, als sie das kleine Baby in den Armen hielt. Es verging einige Zeit und Katharina fragte sich, wie lange sie sich wohl noch frei nehmen könnte. Schließlich würde sie ihr Baby hier lassen müssen, ihre Mutter hatte schon die Gerüchte gestreut, dass sie selber ein Kind erwartete. Sie hatte bei jedem Gang aus dem Haus mehrere Unterkleider getragen gehabt um jeden sehen zu lassen, was sie sehen sollten. Sie würde das Kind als ihr eigenes ausgeben, um Katharina vor der Schande zu schützen. 

Eines Nachts schrak Katharina aus ihrem Schlaf hoch. Bevor sie realisieren konnte, was geschah, wurde sie von 2 starken Männern ergriffen und aus ihrem Bett gezerrt. Sie wurde aus dem Haus gebracht und in eine Kutsche gesperrt. Sie sah ihre Mutter, wie sie schreiend auf die Straße rannte und im selben Moment von einem der Männer zu Boden geschlagen wurde. Ein Anderer trat auf sie ein, bis sie sich nicht mehr bewegte, dann fuhr die Kutsche los. Was war nur geschehen, wo wurde sie hingebracht? Als die Kutsche schließlich anhielt uns geöffnet wurde, ergriffen sie wieder diese 2 Männer und zerrten sie hinaus. Sie wurde hart auf den Boden geworfen und als sie hinaufblickte, sah sie in das Gesicht ihres Grafen.

"Dachtest du echt, du könntest es geheim halten?"

Katharina wollte aufstehen, wurde aber sofort wieder in den Dreck gestoßen. Ein anderer Mann brachte dem Grafen ein kleines weißes Bündel und Katharina erkannte gleich die selbstgestrickte Decke ihrer Mutter. Sie schrie und flehte, er solle ihr Baby in Ruhe lassen.

Der Graf sah erst das kleine Bündel an, dann Katharina.

"Denkst du das ist mein erstes Bastardkind? Ich weiß, wie man euch Weibsbilder zum Schweigen bringt."

Er lachte und drehte sich um. Erst jetzt erkannte Katharina, dass sie sich an einem kleinen See befanden. Der Graf zog seine Schuhe aus und ging ins seichte Wasser. Er legte das kleine Bündeln hinein und drückte es in das schlammige  Nass, bis es komplett unter Wasser war. Vor Schreck brachte Katharina keinen Ton heraus. Es dauerte nicht lange, bis der Graf fertig war und das Bündel im Wasser treiben ließ.

"Es ist schon sonderbar. Babys können sehr laut schreien, wenn sie Hunger haben. Aber wenn man sie ertränkt, hört man gar nichts."

Katharina rannen Tränen über die Wangen, sie sah zum See und spürte, wie der Druck auf ihrem Rücken nachließ. Der Graf und seine Männer ließen sie alleine zurück. Als sie den Mut bekam aufzustehen, ging sie zum See und holte ihr Baby aus dem Wasser. Sie drückte es an sich und lächelte gequält. Es sah aus, als würde es nur schlafen, als würde es jeden Moment aufwachen und nach seiner Mama schreien. Es brach ihr das Herz, sie hatte so viele Lügen und Schmerzen ertragen, nur um dem kleinen Jungen in ihren Armen das Leben zu schenken. Wieso war das Leben nur so grausam zu ihr? 

Katharina stand auf, sie lächelte, hielt ihr totes Baby in den Armen und ging tiefer ins Wasser hinein. Als sie keinen Boden mehr unter den Füßen spüren konnte, schloss sie erleichtert die Augen.  Sie lächelte immer noch, als sie von dem Wasser verschluckt wurde und hielt ihr Baby fest an ihre Brust gedrückt. Katharina verspürte keine Reue, keine Zweifel, keine Hoffnungslosigkeit. Ihr war auf einmal so leicht ums Herz, dass sie dachte, sie würde schweben. Sie verspürte weder Schmerzen, noch Angst. Der letzte Gedanke galt ihrem Baby, wie glücklich sie war, als es geboren wurde. Ihr Glieder wurden schwerer, ihre Gedanken taub. Sie spürte eine letzte Träne, bevor sie eins mit dem Gewässer wurde.


Ende


© Lysann Blackmoon


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Kommentare zu "Verlorene Seelen"

Re: Verlorene Seelen

Autor: Angélique Duvier   Datum: 30.11.00-1 0:00 Uhr

Kommentar: Liebe Lysann, schön das Du ins Schreiber - Netzwerk gefunden hast! Was für eine traurige Geschichte, sehr spannenden gut und geschrieben!

Liebe Grüße zu Dir,

Angélique

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