Wollten die Götter, dass wir im Theater von Epidaurus
Geschehen des Grauens mit Schaudern verfolgen.
Von Polykleitos, dem jüngeren, zu Ehren Asklepios erbaut,
steht das über zwei tausend Jahre alte Theater,
wo stets Melpomene die Muse der Tragik regierte,
wo Terpsichore den Tanz, Chorgesang als den Ausgleich vollbrachte...
Als wir am Abend den Koilon betraten, rumorte die Menge.
Von steinernen Reihen erhitzt, erglühten tausende Körper
und fielen dem tragischen Schauspiel zum Opfer.
Quintessenz des Hasses schwebte fledermäusisch und keck,
und riss die gefesselten Seelen in die Familienhölle,
die Euripidis an dem mystischen Abend erzeugte.
Medea rächte sich verzweifelt an herzlosen Männern.
Und die geblendete Wut zermalmte auch ihre eigenen Kinder.
Kroch die Vergeltung der Liebe unaufhörlich und giftig
in die Gemächer der friedlichen Häuser und keinen verschonte.
In den stachligen Pinien schärften tausend Messer die mordlustigen Zikaden.
Ich schaute mich um und sah im Dunklen das blasse Gesicht
meiner Frau im schweigenden Halbkreis der Zuschauermenge.
Letzter Schrei stieß aus der Skene in den antiken Himmel
und verhalte unter der Sternbrücke der Milchstraße...


© Heinrich_Rahn


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