Der Wind blättert in einer alten Zeitung –
er ist der Einzige,
der sie versteht,
denn wir selbst haben unsere Gedanken
längst in den Wind geschlagen.
Haben wir eingesehen,
daß wir den Wind nicht drehen können?

Einen Augenblick lang noch,
und wir werden die Stelle nicht wiedererkennen,
an der die Zeitung lag.
Dann werden wir sagen:
„Das habe ich ganz anders in Erinnerung“.
Dabei dürfen wir nicht einmal daran denken,
welche Bedeutung der Platz für uns hatte.

Vielleicht blättert der Wind dann
in unseren Gedanken,
genauso, wie er in den Gedanken der Welt blätterte,
als er Seite für Seite umschlug
um sie ad acta zu legen,
aufbewahrt im Gedächtnis des Windes –
und nur für einen Augenblick lang wahr.

Der Wind blättert ...

© Alf Glocker


© Alf Glocker


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Kommentare zu "Der Wind blättert ..."

Re: Der Wind blättert ...

Autor: Sonja Soller   Datum: 31.01.2022 9:26 Uhr

Kommentar: Tolles Bild!!!!!

Wow, ein sehr bewegendes Gedicht!
Man kann nur wünschen, dass der Wind einige Gedanken weiterblättert,
und andere beim Blättern übersieht!

Herzl. Grüße aus dem bewegten Norden, Sonja

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