Öfter verirrt sich ein Schmetterling,
ein kleines, schönes, flatterndes Ding,
in einen verglasten Wintergarten.
Will dort immer wieder - zum Himmel starten,

in den Himmel hinauf, ins Grün entfliehn.
Immer wieder in stetem, stetem Bemühn.
Doch das Glas dort oben, fängt den Kleinen ab,
und der fliegt dann nicht so weit herab,

dass er unter der offenen Tür entwischen würde.
Die unsichtbare Grenze, undurchdringliche Hürde,
gegen die er, ihn überraschend, immer wieder stößt,
deren Rätsel er alleine, durch sich nicht löst,

sie wird ihn auf Dauer ermatten, schwächen, töten.
Kleiner Schmetterling, du bist in ernsten Nöten!
Doch du flatterndes Ding, so klein, so schön,
hast nochmals Glück, ich hab dich gesehn!

Doch ganz so einfach, machst du's mir nicht!
Ich weiß zwar, du willst hinaus ins Licht,
Doch du willst panisch vor mir fliehn,
behinderst, taumelnd, verzweifeltes Bemühn.

Du nutzt die Höhe, machst es mir schwer,
du fliegst nach vorn, ich renn hinterher,
Du fliegst zurück, ich bleibe stehn,
dich frei zu fangen, wird nicht gehn!

Komm jetzt! Halt dich fest! Die Fliegenklatsche,
mit der ich andre zu Tode patsche,
für dich sei sie Symbol des Lebens!
Ein, zweimal - ist's dennoch vergebens.

Beim Dritten aber, da hältst du lange still
und tust was der Riese von dir will.
Der kann dich hinaus, ins Freie bringen.
Nun setz sie ein, deine Schwingen!

Rühr dich! Flattere! Säum nicht länger!
Heb ab! Entflieh dem Fliegenfänger!
Hinaus in die Fülle, die wir nicht verstehn,
in der wir bald beide - zugrunde gehn.


© Thomas Nill


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Beschreibung des Autors zu "Ein Schmetterling in Not"

Schmetterling sitzt im Wintergarten fest

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Kommentare zu "Ein Schmetterling in Not"

Re: Ein Schmetterling in Not

Autor: Marcus   Datum: 25.07.2020 21:57 Uhr

Kommentar: Eigentlich schön geschrieben. Das Ende aber versaut einen dramatischen Spannungsaufbau der nach einem friedlichen Ausklang lechzt.

Re: Ein Schmetterling in Not

Autor: IchWillKeinenNamen   Datum: 25.07.2020 22:09 Uhr

Kommentar: Finde ich schön Thomas. Die Fliegenklatsche als Symbol des Lebens hat mir sehr gefallen. Und diese süße Bitterkeit (oder ist es bittere Süße?) zum Schluss ebenfalls.
Danke für's Schreiben und ein schönes Wochenende

Re: Ein Schmetterling in Not

Autor: ThomasNill   Datum: 25.07.2020 22:35 Uhr

Kommentar: Danke für die Kommentare!
Der Abbruch am Ende ist gewollt. Die Welt ist nicht heil, die ganze Natur nicht,
Am Ende sterben wir beide, ich und der Schmetterling. Da sind wir dann beide ganz gleich. Ein friedlicher Ausgang wäre für mich etwas langweilig.

Rühr dich! Flattere! Säum nicht länger!
Heb ab! Entflieh dem Fliegenfänger!
Flieg Richtung Sonne! Flügel glühn!
Farben schillern - wunderschön!

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