War nur ein armes Pflegekind,
geduldet nur auf Erden.
Die Sonne, Wolken und der Wind,
waren meine Spielgefährten.

Und wurd' die Sehnsucht dann zu schwer,
baut' ich mir meine eig'ne Welt.
Träume zogen ins Wolkenmeer,
und Gram und Schmerz zerfällt.

Ich träumt' ich wär ein Königssohn,
mit prächtigem Gewand.
Der Baumstumpf, ja, der war mein Trohn,
die Weide wär mein Land.

Niemand durfte mich mehr schlagen,
denn nun war ich der große Herr.
Fahr mit einem gold'nen Wagen,
der Teich, er war mein weites Meer.

Alle, die mir Böses wollten,
gabs nicht mehr in meiner Welt.
Alles Gute wurd' vergolten,
und das schlimme Sein zerfällt.

War nur ein armes Pflegekind,
doch die Narben, ja, die blieben.
Weiß nicht, wie viel mir wohlgesinnt,
weiß nicht, wie viel mich lieben.


by suedwind


© August Zinser


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Kommentare zu "Das Pflegekind"

Re: Das Pflegekind

Autor: Anita Heiden   Datum: 06.11.2013 8:21 Uhr

Kommentar: Es hat mich sehr berührt, dazu ist es wunderschön geschrieben und mit Sicherheit hast du hier im Namen für viele gesprochen. Ich wünsche dir einen wunderschönen Tag. LG Anita

Re: Das Pflegekind

Autor: noé   Datum: 19.11.2013 20:09 Uhr

Kommentar: Anita Heiden hat absolut Recht: Es ist wunderschön geschrieben. Es hatte ja wohl auch Zeit, in Dir zu reifen. Und es trifft ins Schwarze: Mental gesund kann man wohl nur bleiben, wenn man sich solche Ausweichwelten schafft, die einen über unsicheren Grund hinweg tragen.
Aber, schau mal, was Du heute dadurch schaffen kannst...

Re: Das Pflegekind

Autor: Varia Antares   Datum: 15.03.2014 10:22 Uhr

Kommentar: Hallo Südwind,

sprichst Du hier aus Deiner eigenen Erfahrung?

Ich bin selbst kein Wunschkind gewesen und finde, Dein Gedicht trifft es auf den Punkt. Nur mit der letzten Strophe stimme ich nicht überein. Ich finde die Narben der Vergangenheit nicht mehr so schlimm. Je mehr Zeit verstreicht, je mehr nette Freundinnen und Freunde man findet und je mehr man aktiv für das eigene Wohlbefinden und die emotionale Genesung tut, desto besser geht es einem. :-)

In meiner Jugend haben meine Lehrer und Kampfkunsttrainer mir die Eltern ersetzt. Sie halfen mir in Notsituationen und erklärten mir das Leben. Ich bin ihnen dafür sehr dankbar. Außerdem gab und gibt es zahlreiche andere nette Personen, die einen unschätzbar wertvollen Beitrag zu meiner Entwicklung geleistet haben. Alleine hätte ich es zwar auch geschafft, aber es wäre wesentlich schwerer gewesen.

Auch muss ich sagen, dass all der Mist, den man früher mal erlitten hat, dazu beiträgt, dass man heute mehr Erfahrung und Lebensweisheit hat als ein Mensch, bei dem immer alles glattging. Ich bin froh, so viel erlebt zu haben, bin sogar dankbar für all das erfahrene Leid, weil ich dadurch gelernt habe, kreativ zu sein und anderen Menschen zu helfen. Und ganz ehrlich: Ohne das Leid und den Kummer der Vergangenheit wäre ich wohl niemals Schriftstellerin geworden. xD

Zudem habe ich in letzter Zeit einen immer besseren Kontakt zu meinem Vater, der mich als Kind verlassen hatte. Wir sehen uns jetzt regelmäßig und verstehen uns sehr gut. Das ist mehr, als ich je zu wünschen gewagt hätte. :-)

Viele Grüße
V.

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