Moritat zu Halloween

Geisteskrankheit sieht man wüten
Gotteshysterie
Dummheit treibt bizarre Blüten
Scharlatanerie

Was die Menschen nicht verstehen
Und das ist sehr viel!
Müssen sie gleich magisch sehen
Als ein Teufelsspiel

Die Gemüter sind im Fieber
Opfer, Täter eins
Ist´s auch bieder, man macht´s nieder
Hexeneinmaleins

Statt jenes, was man wissen kann
Gelten Lug und Glauben
Statt Wirklichkeit kommt in den Bann
Der Schein in frommen Augen

Das Übrige tut Folterzwang
Entfesselt Fieber-Wahn
Bei dem, der auf der Bank liegt lang
Und dem, der das ersann

Die eigentliche Macht des Bösen
Die wahre Höllenbrunft
Das sind die einflussreichen Blöden
Mit Gier und Unvernunft

Sie stellen voller Schrecken fest
Wie Grauen krass grassiert
Das sich sogar erkennen lässt
Bei Jugend schon, massiert!

Das Beispiel gab ein junges Balg
Das verspürt Kaprice
Zu testen, wie Magiegewalt
Begehr entstehen ließ

Sie war zu schön für ihren Stand
Das machte manchen stutzig
Auch war ihr Schwarm in fester Hand
Das macht die Sach nicht putzig

Sie hatte dieses Augenlicht
Man sah, woran man war
Ihr Pfarrer kannte seine Pflicht
Sah die Gefahr ganz klar

Die Schergen fanden schnell ihr Ziel
Man holt sie aus dem Garten
Zu fragen gab es da nicht viel
Nur ihre Blicke sprachen

Am nächsten Tage das Verhör
Man möcht nicht lange bitten
Man drohte ihr und drängt sie sehr
Es geht ihr an die Rippen

Wenn sie der peinlichen Befragung
Nicht pflichtgemäß entspricht
Dann hätte sie wohl keine Ahnung
Von Gottes Strafgericht!

Wer, der Teufelsmacht verschrieben,
Verstockt bleibt bis zum Ende
Den werde man ins Feuer schieben
Direkt in Teufels Hände

Da hilft ihr nicht, wenn sie gesteht
Dass sie gerad zaubern kann
Wie der Esel Harfe schlägt
Und niemals war im Bann

Dieses offene Geständnis
Zeigt den Inquistoren
Sie hat es nicht mit dem Verständnis
Doch faustdick hinter ‘n Ohren

Die Tortur erst macht gefügig
Leugnen geht hier nicht
Der Wahrheit ist die Folter dienlich
Man beichtet mit Gewicht

Denen, welche Schuld bekennen
Konnte man verbürgen
Man wird sie nicht zu Tode brennen
Vielmehr zuvor erwürgen

Es muss, das sieht sie endlich ein
In ihr das Böse ruh´n
Denn es kann ja wohl nicht sein
Dass alle sich vertun!

Als Hexe dann justifiziert
Den Henkern übergeben
Wird sie im Kerker arretiert
Dass sie ihr Leben nehmen

In ihrer Zelle singt sie leise
Ein Liedchen vor sich hin
Seit Kindesbein kennt sie die Weise
Begreift nun deren Sinn:


Ein Schnitter rot, heißt der Tod
Er ist es, der sich jeden holt
Er wetzt das Messer
´S schneidet besser
Dass er blutig gieß´
Blümlein auf der Wies´

Komm doch, Tod, fürcht mich nicht
Komm doch, Tod, mach dein Schnitt
Das Schwert du schwingst
Zum Himmel bringt´s
Blümlein ungezählt
Hast hinweggemäht

Komm doch, Tod, schwarz und groß
Mach mich frei, vom Leben los
Auch Häupter mit Kronen
Tatst nicht verschonen
Blümlein, frisch und jung
Drehst´ den Hals herum!

Komm doch, Tod, beend die Not
Nimm mich mit, vorm Morgenrot
Auf Himmels Garten
Werd´ ich warten
Was auf Wiesen steht
Ach so schnell vergeht!

Komm doch, Tod, warte nicht
Führe mich zum Himmelslicht
Möcht´ ohne Pein
Beim Herrgott sein
Blümlein stehn im Licht
Gott im Angesicht

Ein Schnitter rot, heißt der Tod
Hat seine Macht vom großen Gott
Ich bin bereit
Kommt seine Zeit
Heute, Blümelein
Ziehst´ in Eden sein!“


Der letzten Stunde Tag bricht an
Man nimmt sie an die Hand
Die steile Gasse geht’s hinan
Viel Leute stehen am Rand

„Wohin?“ Wagt sie ganz bang zu fragen
„Zu deinem Recht nun ganz!
Dieses wurde übertragen
Der höheren Instanz“

Da hofft sie wieder auf das Leben
Dem hatte sie entsagt
Der Inquisitor wird es geben
Sie ist zu jung fürs Grab

Vor dem Dom im Morgenrot
Stand eine Menge groß
Da war das Recht, das man ihr bot:
Am Pfahl auf einem Stoß!

Sie erstarrt mit weichen Knien
Der Schreck lässt sie erblassen
Den Flammen kann sie nicht entfliehen
Sie muss ihr Leben lassen

Vergeblich ist ihr heißes Flehen
Besiegelt die Malade
Im Feuer wird sie untergehen
Sie findet keine Gnade

Gepackt, dass man sie vorwärts stößt
Schonungslos geschunden
Wird sie am Schandpfahl halbentblößt
Mit Ketten festgebunden

Es schien ihr wie ein böser Traum
Der würde jetzt gleich enden
Und er endet: Schlimmer kaum
Als hier, von Henkers Händen

Es legt sich rau um ihre Kehle
Eng ein Würgeband
So weicht wenigstens die Seele
Nicht im Feuerbrand

Ein Schnitter rot

© Widi58


© Widi58, Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf reproduziert werden.


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Beschreibung des Autors zu "Ein Schnitter rot"

Jeder Zeit ihren Antichrist, ihre Inquisition!
(Angeregt von dem Tatsachen-Roman „Hexen in der Stadt“ von I. Engelhardt, 1971.)




Kommentare zu "Ein Schnitter rot"

Re: Ein Schnitter rot

Autor: Alf Glocker   Datum: 01.11.2024 7:45 Uhr

Kommentar: Wow!

LG Alf

Re: Ein Schnitter rot

Autor: Michael Dierl   Datum: 02.11.2024 18:38 Uhr

Kommentar: Uffff, ein Meisterwerk im wahrsten Sinn des Wortes! Grausam schön geschrieben! Bild ebenfalls ein Meisterwerk. Grausam schön gemalt!

lg Michael

Re: Ein Schnitter rot

Autor: Widi58   Datum: 02.11.2024 22:01 Uhr

Kommentar: Ich gehe nach diversen Anregungen auf lyrischen Empfang, und lasse die Sache Strophe für Strophe entwickeln, so auch das Bild, irgendwie.

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