Wer wandert so spät in Deutschland ein?
Es ist der Kanake mit seinem Schwein;
Er hat das Schwein wohl in dem Arm,
Er fasst es sicher, er hält es warm.

Mein Schwein, was birgst du so bang dein Gesicht? –
Siehst, Kanake du die Grenze nicht?
Die Grenze mit Zaun und Draht? –
Mein Schwein, das ist doch nicht hart. –

„Du liebes Schwein, du wirst hier ganz wund!
Denn Deutscher Staat braucht kein Schwund;
Das Vaterland ist zwar lieblich,
Doch nicht zu Schweinen wie dich."

Mein Kanake, mein Kanake, und hörest du nicht,
Was die Grenze leise spricht? –
Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Schwein;
Und gönn‘ dir einen Schluck Wein. –

„Willst, feines Schwein, nicht hinfort gehen?
Deine Schweinekollegen wiedersehen;
Deine Schweinekollegen warten auf dich,
und spielen ohne dich im Sonnenlicht.“ –

Mein Kanake, mein Kanake, und siehst du dort
Deutsche Grenzschutzbeamte Vorort? –
Mein Schwein, mein Schwein, ich seh‘ es genau:
Es sind alte Herren, dumm wie sau. –

„Ich hasse dich, mich ekelt deine Gestalt;
Und bist du nicht willig so brauch‘ ich Gewalt.“ –
Mein Kanake, Mein Kanake, jetzt blute ich dich an!
Der Zaun hat mir ein Leids getan! –

Dem Kanaken grauset’s; er klettert rein,
Er hält in Armen das ächzende Schwein,
Erreicht das Flüchtlingslager mit Mühe und Not;
Doch das Schwein war schon tot.


© Geyoped


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Beschreibung des Autors zu "Die Grenze"

Eine kleine aber feine Parody von dem Gedicht Erlkönig.

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