Du hieltest mich in deinen Armen
Mit starken, tellergroßen Händen.
Du gabst mir schließlich deinen Namen,
Ach, wenn wir uns doch endlich fänden.

So Vieles erbte ich von dir,
Ich trag ja deine Gene,
Geschmack an Nikotin und Bier
Und and're Phänomene:

Cholerik und Melancholie,
Zu der ich manchmal neige,
Auch viel von der Anatomie,
Den Mut und auch das Feige.

Konntest Autobleche schweißen,
"Geht nicht - gibt's nicht!" war Devise.
Du musstest dich durchs Leben beißen.
Für mich warst du ein Riese.

Bewundernd sah ich oft dir zu:
"Mein Rad kriegt neue Speichen!"
Ich wollte stets so sein wie du,
Doch konnt' dich nicht erreichen.

Als du ein Kind - wer hielt dich da?
Der Vater früh gestorben
Und so, mit nicht mal 17 Jahr,
Bist du Soldat geworden.

Krieg spiel'n, was sehen von der Welt,
Die Flak mit heißen Rohren,
Doch dann auf Frankreichs Winterfeld,
Da bist du fast erfroren.

Mit 21 schon Papa,
Du hast dich früh getraut,
Geschuftet 7 Tage gar
Und Deutschland aufgebaut.

Jetzt bist du schwach, dein Blick ist leer,
Dein Gang, der schwankt und weiß der Bart.
Du schmiedest keine Pläne mehr,
Die trüben Augen suchen Rat.

Der Rücken krumm, die Schultern tief,
Kein Antrieb mehr und keinen Mut,
Bist launisch, lustlos, depressiv,
Wo ist die Kraft, da ist nur Wut.

Vielleicht ist deine düst're Stimmung
Kein Schicksalsschlag, der dich jetzt traf,
Bloß deine Art der Vorbereitung
Auf den letzten, großen Schlaf?

Ach, könnte ich dich jetzt nur halten,
Es wär' doch sicher meine Pflicht,
Am Ende deine Hände falten,
Ich fürchte nur - ich kann es nicht.

Doch als es schließlich kam, das Ende,
Das Leben langsam aus dir kroch,
Da nahm ich zärtlich deine Hände,
Gott, Vater, Dank - ich fand dich doch.


Peddagog, August 2010/Dezember 2012


© Peddagog 2010


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Beschreibung des Autors zu "Vater und Sohn"

Findungsprozess zwischen Vater und Sohn. Die Strophen 1-12 entstanden nach Ausbruch der Demenzkrankheit meines Vaters, die letzte Strophe in den letzten Tagen seines Lebens.

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Kommentare zu "Vater und Sohn"

Re: Vater und Sohn

Autor: Pedda   Datum: 23.11.2010 13:21 Uhr

Kommentar: Hallo Erhard,
Sorry, dass ich jetzt erst deinen Kommentar beantworte.
Vielen Dank für dein Lob. Ja, es ist sehr authentisch und ich finde es schön, dass das offenbar auch zwischen den Zeilen hörbar ist. "Lebensechte Literatur" gefällt mir. Nochmals vielen Dank.
Gruß vom Peddagog

Re: Vater und Sohn

Autor: Pedda   Datum: 23.11.2010 13:21 Uhr

Kommentar: Hallo Erhard,
Sorry, dass ich jetzt erst deinen Kommentar beantworte.
Vielen Dank für dein Lob. Ja, es ist sehr authentisch und ich finde es schön, dass das offenbar auch zwischen den Zeilen hörbar ist. "Lebensechte Literatur" gefällt mir. Nochmals vielen Dank.
Gruß vom Peddagog

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