Mitternacht


O stille Mitternacht, du Segen,
verlier mich nicht aus deiner Hand,
ich will mich nicht zur Ruhe legen –
du malst noch Schatten an die Wand.

Du segnest mich und lässt mich bleiben,
gebettet in ein Sein aus Trost,
du heißt mich noch Gedichte schreiben,
die für mich gütlich ausgelost –

und was mir zugedacht ist blüht
in meinem kleinen Garten schön.
Der Rote Faden, der mich zieht,
lässt mich für heut nicht untergeh’n.

Das ist ein Stern, der schüchtern blinkt,
das ist der ganze Horizont,
der zu mir aus der Ferne winkt
und mich mit kleiner Last belohnt.

Mit dieser „Last“ etwas zu machen,
das einerseits mich froh sein lässt
und andererseits vielleicht zum Lachen –
der Mond steht weise im Geäst!

Ob ich dann wohl noch miterlebe,
daß jemand merkt wie wahr das sei,
wonach ich mit Begeisterung strebe,
das ist mir nächtlich einerlei…


*


Lebendgewicht


Ich bin wirklich nicht ganz dicht!
Nein, ich bin bei weitem: Dichter.
Mit mir geht jeder ins Gericht –
türmt sich auf zu meinem Richter.

Mich kann man zu nichts gebrauchen,
ich mach keine feinen Brötchen,
keinen Schornstein lass ich rauchen,
ich gehöre zu den Blödchen.

Ich zahl auch fast keine Steuern.
Woher denn auch, ich hab kein Geld!
Mich würde man beizeiten feuern –
ich taug‘ halt nicht für diese Welt.

Deshalb frage ich mich täglich:
warum bloß bin ich so geboren?
Klein und jederzeit nur kläglich,
hier habe ich wohl nichts verloren.

Wozu braucht man denn schon Dichter?
Die sind doch alle nicht ganz dicht.
So ein dämliches Gelichter
hat kein lebendes Gewicht!

*


Idioten-Orden


Ich bin weder glaub- noch würdig,
niemand bin ich ebenbürtig,
denn ich fantasiere nur –
„Perversion“ ist mir Natur!

Auf meinem T-Shirt steht nicht „Papa“,
jeden Abend gibt es Grappa –
den brauch ich für meinen Trost.
Und die andern sind erbost!

Fließbandwerker, Schwellenleger,
Ärzte, Richter, Heimatpfleger,
alle haben einen Job –
und das allergrößte Lob!

Sie verfolgen ihre Pflichten.
Ich kann nur malen oder dichten…
Nutzlos bleibe ich am Leben.
Wozu mir zu essen geben?!

Jeder bringt die Welt voran,
weil er’s eben besser kann
als ich, armer, kleiner Denker –
ab mit mir zum nächten Henker!

Staunend schau‘ ich dabei zu
und ich lass in aller Ruh
gescheh’n wie sie hier alles morden.
Ich trag‘ den Idioten-Orden.

*


Sieh nicht nur zu


Sieh deinen Schwingen zitternd zu
und lass dir hunderttausendmal
alte Lieder singen. Sag dir, du
bist einsam aber noch nicht fahl.

So stell dir vor, du seist Besinnen,
dann käm‘ die ganze Zeit zu dir!
Du würdest außen, wie auch innen
ein Kuriosum werden – schier.

Und nur Throne übten sich im Keimen
und nur die Frauen wär’n dir hold –
du müsstest dich in frechen Reimen
beschränken auf das pure Gold.

Das Gold, des grauen Landes Preis,
das nur dein Eigensinn verwindet.
So schmiede doch dein Eisen heiß
und achte drauf, daß man dich findet.

Im Glanz der Brünste ist der Schimmer,
der dich erfindet und dich prägt,
der dich im Augenblick – und immer –
in kleinste Teile doch zersägt…

Dann kennst du plötzlich die Fontänen,
dann siehst du Bäume aus dem Glas
der vielen, ungeweinten Tränen
und strebst zum Himmel, beißt ins Gras.

Vernichte dich! Und sei dir gnädig!
Du bist nicht abgetragen – trist…
Die Seelenkraft erscheint dir ledig,
du blickst auf eine lange Frist.

Die Rückschau endet in Gesängen,
Mädchen spiegeln sich in Teichen
und aus dem allgemeinen Drängen
darfst du ins Bodenlose weichen.

Denn diese Nächte in den Städten,
wo nur flussabwärts Ziele reifen,
sind sehr geeignet, um in Betten
den Mantel „Ichbin“ abzustreifen.

So ist es hoch, das irdische Gelingen.
Tritt aus der Dämmerung heraus!
Was wird die Zukunft dir noch bringen?
Bedenk‘ es gut und drück‘ es aus!


© Sur_real


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