Ein Moloch, du Metropolis
wucherst wie Metastasen.
Der Tod geht um, das ist gewiss,
der Herrscher drischt nur Phrasen.
Du Koloss ziehst wie ein Magnet,
die Massen stadtwärts streben,
weil es doch im Gesetzbuch steht:
"Wer Arbeit hat, darf leben."
Doch Arbeit gibt es nie genug,
verdrängt durch Mensch-Maschinen,
die spannen sie vor ihren Pflug,
die reißen sich am Riemen.
Der Blick der Menschen, trüb und leer,
als Metronom Maschinen,
dreh'n keine großen Räder mehr,**
Malocher müssen dienen.
Die hausen tief im Untergrund,
im feuchten Schattenreich
und scheuern sich die Hände wund,
die Haut glänzt totenbleich.
Pygmäen auf den Deponien***
wühlen in Müllrabatten,
wo niemals eine Sonne schien,
und Flöhe, groß wie Ratten.**
Und in der Suizid-Allee
ist stets ein reges Treiben,
hoch oben über'm Säuresee,
es ist nicht zu beschreiben:
Da stürzen sie sich dutzendfach
tagtäglich in die Tiefe,
wie Tontauben fall'n sie vom Dach
ganz ohne Abschiedsbriefe.
Weit oben wohnt die Oberschicht
in Türmen ganz aus Glas,
mit frischer Luft und guter Sicht,
die haben ihren Spaß.
Aristos pflegen Müßiggang,****
berauschen sich mit Drogen,
langweilen sich ein Leben lang
und sind so auch betrogen.
Die parfümieren ihren Leib,
wandeln in ew'gen Gärten,
spiel'n Spiele so zum Zeitvertreib,
die Fronten längst verhärten.
Und sie erschießen vom Balkon
die Springer gern im Flug,
bevor die klatschen auf Beton,
Selbstmörder gibt's genug.****
Am Abend, wenn der Tag sich neigt,
verrotten letzte Leichen,
wenn's Räumkommando wieder streikt,
es ist zum Herzerweichen.
Denn nachts, da fressen sie das Aas,
die diamant'nen Hunde,**
von Leibern, die man schlicht vergas,
beim Schlag der letzten Stunde.
Kein Heiland weit und breit in Sicht,
der hier vermitteln kann,
und Hoffnung, nein, die gibt es nicht,
doch man gewöhnt sich dran.
* Die Grundidee basiert auf dem monumentalen Stummfilm "Metropolis" von Fritz Lang (1926) mit seiner Zweiklassen-Gesellschaft, sowie der Tatsache, dass unsere Weltmetropolen auch heute noch immer weiter wachsen. Es gibt bereits Metropolregionen wie Tokyo, Seoul, Mexico-City, Dhaka, Mumbai, Sao Paulo oder Chongqin, die Einwohnerzahlen von 20 - 30 Millionen oder mehr aufweisen. Je größer eine Stadt, desto mehr soziale Probleme, Armut, Kriminalität und Suizide.
** "No more big wheels" und "Flees, the size of rats, sucked on rats, the size of cats" - Zitate aus David Bowies Song "Future Legend" von dem Album "Diamond Dogs" (1974).
*** In vielen Mega-Cities gibt es riesige Mülldeponien, wo tausende von Menschen in Slums ihren Wohnsitz haben und den Müll nach Verwertbarem (z.B. Metalle) durchwühlen, so z.B. in Manila oder Jakarta. Ein Großteil des Mülls stammt übrigens aus Europa. Inzwischen werden dort Kinder geboren, die tatsächlich schmächtiger und kleinwüchsiger sind, was auf die Gifte auf den Deponien und im Grundwasser zurückzuführen ist.
**** "Aristos" = sozial privilegierte Oberschicht aus der Comic-Serie "John Difool" von A. Jodorowsky und Moebius (Jean Giraud), 1981-88. Das Bild, in dem Aristos zum Zeitvertreib mit Gewehren Selbstmörder, die sich von Hochhäusern stürzen, im Fallen abschießen, stammt aus Band 1 "Der schwarze Incal".
Beschreibung des Autors zu "Metropolis* (eine Dystopie)"
Metropolregionen wachsen weiter auf 20, 30, 50 Millionen Einwohner - eine Horrorvorstellung! Gründe: Arbeitssuche, soziale Leistungen und manchmal nur die Hoffnung, an etwas Geld zu kommen und sei es auf der Mülldeponie.
Kommentar:Hallo Honigtraum, Danke für dein Lob. Ich dachte schon das sei zu düster, aber als ich das mit den Deponiebewohnern las, dachte ich, dass die geschilderten Horrorszenarien vielleicht gar nicht mehr so utopsch/dystopisch sind. Es kommt noch schlimer: weil es sogar auf den Müllkippen schon Konkurrenzkampf gibt, wollen viele zuerst da sein, wenn neuer Müll von den Kippern abgeladen wird und manchmal werden, besonders Kinder, dann unter dem Müll lebendig begraben, weil sie zu nah an den LKWs standen. Gruß Pedda
Kommentar:Um einen Misstand aufzuzeigen, der sich leider immer mehr in die von dir beschriebene Richtung entwickelt, kann es gar nicht zu düster oder zu hart sein.
Gruß, Honigtraum
Kommentar:Hallo liebe Sigrid, Danke für deinen Kommentar. Müssen Gedichte schön sein? Dürfen nur Themen wie Liebe, Natur etc. Verwendung finden? Nein, nein und nochmals nein! Im Gegenteil: ich finde Gedichte mit schwierigen, sozialkritischen Themen meist viel interessanter. Und du doch irgendwie auch, daher dein "gefällt mir". Dank auch dafür. Gruß Pedda
Kommentar:Hallo Pedda,
schließe mich dem Lob an und ja, man kann es nicht düster genug ausdrücken, denn die Wirklichkeit ist noch um Vieles schlimmer! Überbevölkerung und Unter-, bzw. Mangelernährung sind m.M.n. die Ursache für diese Übel und sind die literarischen Aspekte auch teilweise überhöht, so werden sie auf anderen Gebieten leicht in den Schatten gestellt: So sollen allein in Kairo bis zu 10 000 Menschen FEST auf Friedhöfen, in Katakomben und Familiengräbern anderer wohnen und leben. Für uns 'noch' unvorstellbare Zustände, aber lass die Klimakatastrophe und den Kampf ums Wasser kommen, dann werden unsere 'Ordnungskräfte' auf die afrikanischen Flüchtlingsboote schießen!
Kommentar:Hi Pedda,
spät, aber gerne gelesen dein düsteres Metropolis.
Deine beißenden Zeilen hast du wieder mal "mit der Faust geschrieben".Großartig.
Gruß
Wolfgang
Kommentar:Pedda, deine Härte wünschte ich mir, denn dein Zorn ist der meine! Die "edlen Frontexritter" fallen mir dazu noch ein, die bald schießen werden, um die Feste Europa gegen die "Hungerleider" vom Mittelmeer zu verteidigen. Und unsere wirkmächtigen Panzer, made in Germany, die wir an die Teufel der Welt verkaufen - damit die sie immer nur schön polieren und pflegen? - Da kann ich nicht mal mehr zynisch lachen. Ich grüße dich voller Respekt. Hans
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