Der Garten sah im Morgenreif,
aus als hätt ihn wer begossen,
und ich tat ganz unverdrossen,
einen ersten Schritt hinein.

Bedeutet ich stieg übern Zaun,
denn das Tor das war verschlossen,
und vorn ein Schild da stand in Druckschrift,
„Auf Unbekannte wird geschossen“.
Gleich daneben prangt ein Bild,
von einem grimmig Hundetier,
das sah mich an ganz grimmig wild,
mein Glück, es ist gerad nicht hier.

Mein Ziel?
Die Bäume die dort droben stehen
und knorrig sich im Wind verdrehn.
Der Herbst sie schon umfangen hat,
bunt gekleidet Blatt um Blatt,
fest verwurzelt, in Reih ganz stramm,
Geäst an Geäst und Stamm an Stamm.

Jeden Tag sah ich sie von dem Haus da gegenüber,
jeden Tag nahm ich mir vor, ich kletter heute einfach drüber,
über den Zaun der mich von ihnen abhält,
und jeden Tag seh ich die Äpfel,
wobei ab und zu einer abfällt.

Ja die Vögel die fraßen,
dann die Frucht auf dem Rasen.
Und beim Anblick alleine
brach bei mir der Schweiß aus,
aber so oft ich auch rief
nie nahmen sie Reißaus.
Egal was ich vermochte,
sie hockten, ich kochte,
vor Wut und vor Neid
auf die Vögel die nahmen,
was mir gehörn sollte.

Leider ist er verboten,
der Garten des Nachbarn,
und so ist doch geboten,
stets ruhig und achtsam,
zu sein.
Denn sollt er mich erwischen,
und das sei zu vermeiden,
würd er mich wohl packen
und ich tät ordentlich leiden.
Im schlimmsten Falle,
holte er sein Gewehr,
und würde er schießen,
hätt ich ein Körperloch mehr.

Und wär es das wert?
Mein Verstand sagt nein,
doch mein Herz sagt:
Yeah.
Viel zu lang hab ich gewartet,
mir meinen Kopf halb tot gemartert,
Möglichkeiten abgeschätzt,
und doch zuletzt,
steht mein Entschluss schon lange fest.
Ich will einen dieser Äpfel.

So ließ ich nun das Zögern und Zagen,
und stieg über die Früchte, die auf dem Boden schon lagen,
den Hügel hinabrollten, und die nun niemand mehr wollte.
Hinauf zu den Bäumen, die dort einladend warten,
und ich vernahm, wie als ob sie zu mir sprachen:

In herrlichem Singsang, glockenhell und so rein,
erzählten sie Geschichten so wundersam fein,
Vom Leben und Tod und vom Sterben und Sein,
von der Ewigkeit und dem Nichts und der Nacht,
den Göttern, dem Lichte und dem ewigen Schein,
und alles klang für mich so klar und durchdacht,
Und sie zeigten mir auf,
alle Freuden der Welt,
all das Schöne und Gute
und ließen mich spüren,
Glück und Ekstasen,
in unglaublichen Maßen.
Und Wogen der Wonnen brachen um mich zusammen,
und ich fühlte mich zum ersten Mal vollkommen und Ganz.
Wie als wäre ich ins Lichte getaucht, fuhr ich nach oben, fuhr ich hinauf und
fiel herunter.
So schnell es gekommen,
war es auch vorbei und ich war allein
und das Glück das war fort.
Zurück blieb das Dunkel,
der Schmerz und der Hass,
Wut und Verlust,
Kummer und Frust
und der schrecklichen Last,
zu wissen, dass ich solch Schönes
wohl nie wieder sehn würd.

Und dann kam ich zurück.
Ich stand auf dem Hügel, um mich rum nur Äste,
ich blickte mich um und sah auf einmal das Beste,
was meine Augen seit langem schon sahen.
Ein Apfel an einem Zweig, rotglänzend und rund.
und ich dachte, vielleicht, ist das der Grund.
Vielleicht braucht es auch nur einen einzigen Bissen,
und ich würde wissen,
was man mir für kurz hat gewährt.
Dieses Glück, dieser Rausch, dieser kurze Moment,
was würde ich geben!
ihn nochmal zu spürn.
„Dein Leben?“,
fragte da eine Stimme.
Und von oben die Schlange sah auf mich herab,
sie zischelte kurz und meinte zu mir:
„Alles was du begehrst, ich habe es hier.“
Und ich blickte in die Augen der Schlange und sah,
alles was sie sprach, und gesprochen hat, war
wahr.

Sie glitt zur Seite und ich ging vorbei
und stand auf einmal vor der goldenen Frucht,
doch ein letzter Keim Zweifel in mir flammte auf,
und für einen Moment erwog ich die Flucht,
doch schließlich überkam mich die mahlende Sucht.

Jede Haltung war weg und ich stürzte mich drauf
und riss und zehrte den Apfel vom Baum.
dann biss ich hinein und es spritzte,
der Saft mich benetzte und floss mir zum Kinn.
Und ich wollte es spüren und wollt es genießen,
die Frucht die mir schon so lange vor Augen
und die Sinne weit offen gab ich mich hin.

Und spürte... nichts.
Keine Erlösung im Herzen, keine schönen Gefühle.
Der Geschmack er war fade, leer und auch öde.
Doch die Schlange hatte mich nicht angelogen
und fühlte ich mich auch noch so betrogen,
verstand ich nun was sie mir beibringen wollte.

Die Wahrheit an sich,
ja sie ist wie ein Apfel.
Von außen betrachten,
mag sie wunderschön sein,
doch beißt du hinein,
mag sich viel drin verbergen.
Vielleicht steckt ein Wurm drin.
Vielleicht ist sie sauer.
Vielleicht findest du etwas was du lang schon vermisst.
Vielleicht ist sie das Beste was du je gegessen,
doch wirst dus nie erfahren,
wenn du nie einen isst.

Mehr Geschichten und Gedichte findet ihr auch auf meinem Blog: http://korbohned.de/


© Alle Rechte vorbehalten - @KorbohneD


0 Lesern gefällt dieser Text.

Diesen Text als PDF downloaden




Kommentare zu "Der Apfelbaum"

Es sind noch keine Kommentare vorhanden

Kommentar schreiben zu "Der Apfelbaum"

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.