Fingerspitzen
taub-rot

Die Lilie
rennt
mit Scherben
unterm Arm
gen
Notausgang

Blind bleiben
Ohren stumm

Funkenraub
in böser Absicht
springt eilig
Stecher
ins Becken voll
Benzin


© IchWillKeinenNamen


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Kommentare zu "Musenlos"

Re: Musenlos

Autor: ThomasNill   Datum: 29.08.2020 6:19 Uhr

Kommentar: Das ist ein sehr dynamischer Text. Zwei Gruppen mit je zwei Teilen, der erste sehr kurz, dann mehrere Zeilen im zweiten Teil. Alle sehr kurze Sätze, Einzelwörter.

Zwei ziemlich verrückte aber doch stimmige Bilder-

Fingerspitzen
taub-rot

es ist kalt, eisig, die Finger sind gefroren.

-- Die Lilie ...
Jemand sehr schön, unschuldig, fröhlich
-- mit Scherben unterm Arm
mit Teilen von etwas
-- zum Notausgang
um die Not zu lindern, der Not zu enzkommen

-- Blind bleiben ...
nichts hören, sehen, sagen
aber das "nichts sagen" fehlt hier. Es wird also etwas gesagt.

--Funkenraub
--in böser Absicht
--springt eilig

jemand hat etwas gestohlen und rennt weg.
-- Stecher
jemand anderer tritt dazu und sticht den Rennenden ab
-- ins Becken voll Benzin
der Dieb verbrennt in einem See aus Flammen

Beides zusammen, zwei Fluchtbewegungen.
Aber beide aus ganz verschiedenen Gründen.
Jemand rettet etwas, jemand stielt etwas.
Beides geht zusammen.

Ein ehr dynamisches Gedicht. In diesen kurzen Sätzen! Sehr schön!

Re: Musenlos

Autor: ThomasNill   Datum: 29.08.2020 12:11 Uhr

Kommentar: Sehe garade, dass ich den Titel noch gar nicht in meine Überlegungen mit
einbezogen habe.

Musenlos!

Das Los einer Muse. Ihr wird wohl etwas aus dem Leben gestohlen.
Sie rettet ihre zerstreute, vielschichtige Identität in die Freiheit
vor dem Dichter, der sie als seine Muse sieht.
Der Dichter stiehlt seiner Muse mit Absicht einen Teil der Identität.
Lässt sich durch ihre Funken inspirieren.
Er rennt mit seinem Gedicht davon.
Aber dann kommt etwas dazwischen, danach brennt er.
Die Liebe zu seiner Muse hat ihn erwischt!
Der Stecher ist Amor !

Re: Musenlos

Autor: IchWillKeinenNamen   Datum: 18.09.2020 14:01 Uhr

Kommentar: Hallo Thomas,
Danke für deine Interpretationen, die ich immer sehr spannend finde!
Das man “Stecher“ als Person, die sticht, lesen kann, da hab ich gar nicht dran gedacht.
“Köpfer“ hätte dann jemand köpfendes sein können...
“Kopfsprung“ hätte es wohl ohne diese Zweideutigkeit ausgedrückt.

Liebe Grüße,

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