Ich gehe in mich. Das ist nicht ganz so schön, als beispielsweise in dich zu gehen, so du mein Pendant bist. Deshalb stehe ich vorsichtshalber neben mir. Aber was fange ich mit mir an? Ich lasse mich an mir vorbeidefilieren, ohne Marschmusik versteht sich. Die mag ich, in ihrer speziellen Anwendung auf sogenannte Kolonnen, noch weniger als in mich zu gehen. Dann fange ich an zu schweben – schwebend zu sinnieren und dabei kommt mir allerlei Unsinn in den Sinn.

Zurecht oder zu Unrecht lasse ich mich gewähren, denn ich kenne mich ja einigermaßen. Zu oft durfte ich mir beiwohnen wenn ich etwas tat, sei es auch noch so fremd für mich gewesen. Akzeptieren musste ich es auf jeden Fall, denn aus jemand anderem kam es ja nicht und in jemand anderen ging es auch nicht. Es war eben (n)urplötzlich da und irgendwie war es auch meistens ein bisschen verrückt.

So verrückt, wie mein nahezu selbständiger Gedankengang zum Artenschutz, oder wie ich es vor mir zu formulieren beliebe, zum „Aussterben gefährdeter Arten“ – zum humorvollen Aussterben der Arten, möchte ich ergänzend hinzufügen. Und weil vermutlich nicht jeder mit meinem unbeholfenen Geplapper etwas anfangen kann, will ich mich präziser – präziser verrückt – ausdrücken: wer oder was ist also nun bedroht, bedroht uns, hat von seiner oder unserer Bedrohung durch uns oder andere, schon einmal was gehört, oder fühlt sich bewusst bedroht, um der Ausrottung zu entgehen?

Da ist zum Beispiel der Platzhirsch! Die letzten, in freier Wildbahn beobachteten Arten, wurden, so berichtet die WILD-Zeitung, mitten im Amazonenstrom gesichtet, wo sie vermutlich von der Heftigkeit ungestümer Emanzipationsbewegungen fortgerissen wurden. Ihre Hilferufe wurden sogar von den sensibelsten Therapeuten überhört! Und, so geht heute das Gerücht, wenn überhaupt, dann könnten vielleicht noch ein paar versprengte Exemplare im Dschungel von Mannhätten überlebt haben – wenn sie nicht mittlerweile, anhand ungenügender Verschleierungsmethoden, schlichtweg geplatzt sind.

Früher in aller Munde (und nicht nur das), machen sich heutzutage auch schon wieder Leute Sorgen um das sogenannte Freie Wildferkel, eine ehemals in diversen Clubs sehr häufig auftretende Spezies, die durch den Anstieg der Designerdroge „Sonderdisziplin“ sehr stark gefährdet ist. Denn dort, wo man es früher an allen Ecken beobachten konnte, wie es sich ungeniert dem ernstbefreiten Total-Überleben auslieferte, sieht man heute vermehrt als Wildferkel verkleidete Rampensäue, deren einziges Anliegen die Durchsetzung nicht ganz ungefährlicher Dominanzbestrebungen zu sein scheint.

Dagegen wirkt der Blaue Schluckuck auf manchen schon wieder vergleichsweise liebenswert. Sein allerorts vertrauter Ruf „Prosit, prosit“ wird sogar bisweilen als sehr erheiternd angesehen. Allerdings, so munkelt man auch, könne man die Jahre seines Lebens daran abzählen – je öfter man ihn vernimmt, desto weniger habe man noch davon zu erwarten. Seine immer weiter schrumpfenden Bestände, werden – laut WWF (Wollüstiges-Wahnsinns-Forum) – meist überjagt, oder sie fallen nichtvorhandenen Krankheiten zum Opfer, wenn sie nicht vorher, in unheilbringenden Wässerchen ertrunken sind.

Um den internationalen Erbsenzähler steht es da weit besser! Als entfernter Verwandter des Hamsters beschränkt er sich meist (zusammen mit den Kakerlaken) auf seine Reservate in Justizpalästen und Supermarktketten, wo er sein nicht unbedingt charmantes Unwesen treibt. Ob man es glaubt oder nicht: er geht sogar mit System und Akribie an sein Werk, das er selbst gerne als wirtschaftsfördernd oder menschenrechtlich notwendig bezeichnen würde, wenn er sich nur allgemeinverständlich ausdrücken könnte. In Wirklichkeit aber hinterlässt er schimmelnde Aktenstapel oder vor sich hin modernde Geldbestände, mit denen er nichts Sinnvolles anzufangen weiß.
Im Freien Gelände gibt er sich nicht gerne zu erkennen, da er sonst Gefahr läuft vergiftet zu werden. Wie viele Exemplare also noch tatsächlich existieren kann nicht mehr zweifelsfrei belegt werden. Sicher ist nur, daß er bereits auf der roten Liste steht.

Ähnlich ist es um die Schlingelnatter bestellt. Da sich kein Lebewesen weiblicher Natur als eine solche bezeichnen würde um die eigenen Aufstiegschancen nicht zu gefährden, respektive auch nur einzuschränken, stellen sich Schlingelnattern zumeist als mit Niveua behaftet dar, was heißen will: sie schrauben imaginäre Engelsflügel an ihr Schlangenkostüm um für aufopfernd und mitfühlend gehalten werden. Was sie betrifft geht das Gerücht, die Schlingelnatter sei längst ausgestorben und müsse demzufolge auch nicht gerettet werden. Aus Insiderkreisen wird jedoch immer wieder bekannt, ihre Bestände seien bereits so stark angewachsen, daß sie inzwischen 98% der gesamten Population ausmachten. Allerdings streiten sich die Fachleute dermaßen darüber, daß die Wahrheit im allerorts tosenden Lärm unterzugehen droht.. Und allein schon aus diesem Grund sind genaue Informationen wohl gar nicht mehr zu bekommen.

Der Gier-Aal, hauptsächlich in den Zinsflüssen von Großbanken auftretend, unterliegt einer sporadisch auftretenden Treibjagd-Verfolgung durch die Spürhunde unliebsamer Anglervereine, die am liebsten im Trüben fischen. Und da deren Bemühungen in den letzten Jahren sehr stark zugenommen haben, proklamiert man in Regierungskreisen gerne, der Gier-Aal gehöre schon längst der Vergangenheit an. Manche halten dies für eine Schutzbehauptung. Skeptiker vermuten jedoch sogar, daß ihn der Geheimdienst in versteckten Aquarien weiter am Leben erhält, an Orten, wo man vor lauter Gier-Aalen kein Land mehr sieht. Die zuständigen Ministerien schweigen sich dazu allerdings konsequent aus!

Das zählt nun aber mehr in die Rubrik „Tarnen und Täuschen“, weshalb diesbezügliche Vorkommnisse von Realisten gerne ignoriert werden. Fragen, was nun ernst zu nehmen sei und was nicht, lenken andererseits aber auch wieder vom Wesentlichen ab.
Überhaupt ist die Mimikri-Szene „Aussterben oder nicht“ weltweit sehr undurchsichtig geworden. So verwandeln sich oftmals völlig durchschnittlich aussehende Dr. Jekylls in Mr. Hydes, Studenten in Büffel, Büffel in Studenten, Ganoven in Staatspräsidenten und Päpste in arme Schlucker – und dies beschreibt nicht allein die animalischen Wesen sämtlicher Spezies! Wie ein gefährlicher Virus hat die Angst „Ab wann bin ich bedroht und wenn ja, dann wie und wie echt?“ auf alle Bereiche des Lebens, zwischen Himmel und Erde übergegriffen. Überall sieht man gewissenhafte Leute mit Sachen beschäftig, die uns in helles Erstaunen versetzen – so effizient wird gearbeitet!

Trotz aller Bemühungen jedoch, erscheinen mir bis heute etliche Fragen völlig ungelöst. Ja manchmal gehe ich sogar – schier tobsüchtig geworden – aus mir wieder heraus, nachdem ich vorher so zartfühlend in mich hinein gegangen bin, um mit dem Kopf gegen die Wand zu rennen oder mit ihm durch dieselbe gehen zu wollen und ich frage mich allen Ernstes: warum steht die sogenannte Rote Waldameise unter Naturschutz, die gemeine Blondine aber nicht? Und welche Blondine ist nicht gemein? Dies mag jetzt mancher dämlich fragen, sich natürlich im Recht befindend. Schließlich können sie nicht alle in Anspruch nehmen… Ich aber frage mich, zweifelnd an mir und der Herrlichkeit aller vorhandener Kräfte: sind wir denn jetzt plötzlich keine Tierart mehr?

Das müsste man doch sonst auch noch irgendwie merken!


© Alf Glocker


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Kommentare zu "Rein naturwissenschaftliche Betrachtungen"

Re: Rein naturwissenschaftliche Betrachtungen

Autor: noé   Datum: 23.07.2014 12:43 Uhr

Kommentar: Tut man das nicht schon? In der Tierwelt greift ein Reflex, den man "Beißhemmung" nennt, wenn der schwächere der Kontrahenten seine ungschützte Seite zeigt. (Dass es sich hierbei zumeist um die Partie des Bauches handelt, lasse ich aus Assoziationsgründen hier vorbeugend weg.)
BiSi

Re: Rein naturwissenschaftliche Betrachtungen

Autor: Alf Glocker   Datum: 24.07.2014 7:05 Uhr

Kommentar: ??

LB s B u v U.

CraBro

Re: Rein naturwissenschaftliche Betrachtungen

Autor: noé   Datum: 24.07.2014 8:36 Uhr

Kommentar: Ja, ist meiner keiner?
BiSi

Re: Rein naturwissenschaftliche Betrachtungen

Autor: Alf Glocker   Datum: 24.07.2014 14:08 Uhr

Kommentar: Doch, ich hab ihn aber erst jetzt so verstanden wie Du ihn gemeint hast...

;-)

CraBro

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